Der Lettner

 

Entsprechend mittelalterlicher Liturgie ist der Kirchenraum geteilt in den in der Regel größeren Raum für die Gottesdienste der Gemeinde und den Gottesdienstraum für die Priester – geteilt durch den Lettner, eine steinerne Kleinarchitektur. Anders als die entwicklungsgeschichtlich älteren Chorschranken, diente er funktional als erhöhter Standplatz für liturgisch geforderte Lesungen und musste deshalb auf der Oberseite begehbar sein. 

Der Friedberger Lettner entspricht dem Typus des Kanzellettners bei dem die liturgische Funktion durch ein mittig vorspringendes, im Grundriss quadratisches Gehäuse besonders ausgeprägt ist. Sein Unterteil, vorn getragen von zwei Säulen und rückseitig durch Konsolen mit der Rückwand verbunden, ist baldachinartig mit einem Kreuzrippengewölbe als Ziborium gebildet, d.h. als Überwölbung des für den Gemeinderaum bestimmten Heilig-Kreuz-Altars. 

Man erkennt unschwer zwei ganz unterschiedliche Baustile. Die vorspringende Kanzel ist der verbliebene Teil des ursprünglichen Lettners des romanischen Vorgängerbaus der Kirche aus der Zeit um 1240. Die Bauformen der Seitenwände, insbesondere das Maßwerk der Brüstung und das der beiden seitlichen Türen stützen die Vermutung, dass der Umbau im gotischen Stil in der Zeit um 1430 erfolgte. 

Wurden die meisten Lettner infolge katholisch-gegenreformatorischer Zielsetzung der Verbindung von Priester- und Laienkirche im 16. Jahrhundert in den katholischen Kirchen entfernt, so blieben sie in evangelischen in veränderter Funktion erhalten. So auch in Friedberg, wo der Chor der 1543 gegründeten Lateinschule (der heutigen Augustinerschule) vom Lettner aus den Gottesdienst musikalisch begleiten musste.